Sonntag, 30. März 2014

7. Etappe - Unglaublich, es ist geschafft!

Die letzte Nacht ist weitgehend ruhig. Ein paar dunkelhäutige Südafrikaner einige Zelte weiter unterhalten sich noch, als ich gegen elf Uhr noch einmal aufwache – aber kein Vergleich zu den Schwiezern oder Ösis der vergangenen Nächte. So schlafe ich bald weiter. Diesmal ist Etappenstart acht Uhr und der Wecker klingelt eine Stunde später als sonst. Wie im Paradies. Als ich aufstehe belehrt ein hellhäutiger Südafrikaner die nächtliche Gespräche führenden dunkelhäutigen Südafrikaner so: „Learn your fucking shit or I will kick your head and let you bleed out here“. Ah ja, ohne Worte. Wenn ich das genauso machen würde, wäre das Fahrerfeld schon längst befreit von Schwiezern sowie Ösis, wir wären in der Gesamtwertung zehn Plätze weiter vorn und würden heute aus Startblock A starten. So geht’s nun leider bei strömendem Regen aus B auf die 69 Kilometer lange Etappe. Unser Plan für heute ist simpel: Vollgas starten und dann hoffen, dass wir hinten raus nicht zu viele Plätze verlieren. Leider geht es sehr schnell in den ersten Anstieg. Die Post ist daher vorne natürlich längst weg, während wir uns noch durchs Feld kämpfen. Im Anstieg arbeiten wir uns dann recht schnell nach vorn. Seit langem überholen wir mal wieder das führende Damenteam und lassen die Masters-Führenden Brentjens/Azevedo stehen. Als es steil wird, fängt Immanuels kleines Kettenblatt an zu spinnen und die Kette verklemmt sich immer wieder. Er muss ständig runter vom Rad und die steilen Rampen müssen wir schieben. Das kostet viel Kraft. Dennoch kommen wir über den ersten Anstieg drüber ohne von irgendjemandem überholt zu werden. Ich rate Immanuel, nur noch das große Blatt zu benutzen. Er beherzigt es. Das erste Mal seit dem Start vor einer Woche muss ich jetzt richtig über die Berge drücken. Vielleicht hätte ich ihm einfach das kleine Blatt abschrauben sollen? Egal, jetzt ist es zu spät dafür. Irgendwann kommt die einzige lange Pflicht-Schiebepassage des gesamten Rennens. Geschätzte zwei Kilometer bergab auf glitschigen, kindskopfgroßen Steinen. Eine super Sache in Radschuhen. Dazu kommt noch, dass mir vor drei Tagen ein hochfliegender Felsbrocken meinen linken großen Fußzeh ruiniert hat. Das steigert das Wohlbefinden beim Bergablaufen nicht unbedingt. Einige bessere Bergabwanderer als wir schließen nun wieder von hinten auf. Nach der Wanderung folgen herrliche Trails – erst bergab und dann bergauf. Wie mittlerweile bekannt sein dürfte, spielt uns das nicht in die Karten und wir müssen einige Teams passieren lassen. Auf den letzten Kilometern bekommt Immanuel ziemliche Knieprobleme. Aber er beißt sich ein letztes Mal durch. Die Fakten des heutigen Tages: Platz 27 auf der Etappe und Platz 52 in der abschließenden Gesamtwertung. Am Ende sind das aber alles nur Zahlen. Entscheidend ist: Wir haben es geschafft, wir sind angekommen, ohne schlimme Stürze und Defekte. Auch wenn er es etwas anders sieht, kann Immanuel stolz darauf sein hier als jüngster Starter durchgekommen zu sein. Ich bin ja im Vergleich zu ihm ein alter Knacker; fahre schon etwas länger mit dem Mountainbike rum als er; habe schon viele Strecken gesehen und bin so einige Etappenrennen gefahren. Aber ganz sicher nichts Vergleichbares mit dem Cape Epic. Die Strecken hier sind unglaublich hart und unglaublich schön zugleich. Ich bin mir ganz sicher: ich werde wieder kommen … sobald sich die Kriegskasse wieder gefüllt hat.

Am Ende bleibt es mir nur noch all denen zu danken, die es mir ermöglicht haben, hier dabei zu sein. Die Liste ist lang: Meine liebe Laura, die so vieles organisiert hat und mir am Ende „kurz vor knapp“ sogar noch das Hinterrad neu eingespeicht hat (ja, es hat gehalten … besser als so manches Laufrad von professionellen, hier jetzt nicht näher benannten Laufradbauern); unsere Eltern, die uns hierher begleitet haben; unsere Sponsoren (unsere Großeltern eingeschlossen), die uns finanziell unterstützt haben und ohne die ein Start nicht möglich gewesen wäre; … (Platzhalter für Personen, die ich hier jetzt vergessen habe); und natürlich auch Immanuel, der sich an den Start „getraut“ und mit großem Kampfgeist durchgehalten hat.


P. S.: Die Bilder von heute kommen noch. Aber jetzt bin ich zu müde dafür. Gute Nacht!

Samstag, 29. März 2014

6. Etappe - Diesmal sind es Ösis …



Es gibt Dialekte, die kann man einfach nicht hören. Sorry liebe Ösis, Schwiezerdütsch ist ok, aber Österreichisch geht für mich gar nicht. Das ist wahrscheinlich so ähnlich, wie wenn Bayern mein Sächs’sch hören müssen.
Gestern Abend schlafe ich gegen 21 Uhr ein. Eine halbe Stunde später bin ich wieder hellwach. Das darf doch nicht wahr sein: Wir sind dieses Mal von Ösis umzingelt. In Anbetracht der Tatsache, dass 4:45 Uhr der Wecker klingelt, ist es schon elend spät. Da könnte man doch mal ein bisschen leise machen. Aber egal, wir haben schon viele Widrigkeiten umschifft. Ich halte es aus und schlafe irgendwann wieder ein. Mitten in der Nacht bin ich wieder wach. Schnarchen auf Österreichisch ist gruselig. So bin ich morgens nicht ganz so munter wie gestern, aber es geht schon noch. Andere schauen übler aus der Wäsche, mein Bruder zum Beispiel. Jedenfalls rede ich mir das ein.
Wir stellen uns zeitig an den Start. Eine kluge Entscheidung, denn heute gibt es in der Startphase nicht ganz so viele Überholmöglichkeiten wie gestern. Wir fahren wieder bis in die Top-20 vor. Die ersten beiden Gruppen sind aber schon ein kleines Stück weg. In einer Abfahrt will ich wieder an die zweite „ranrollen“. Auf dem losen Split kommt ziemlich plötzlich eine Linkskurve. In den Weinbergen sieht man Richtungsänderungen ziemlich spät. Fakt ist: Wir sind zu schnell für diese Kurve. Mit viel Körpereinsatz komme ich auf der letzten Rille noch rum. Immanuel nimmt leider den direkten Weg geradeaus in die Weinstöcke. Wir haben Glück, er hat nicht einmal einen Kratzer abbekommen und wir haben nur sechs, sieben Plätze verloren als es für uns weiter geht.

Super Trails

Nach dem Start besteht der Rest der 85 Kilometer praktisch ausschließlich aus Trails. Ein Großteil davon ist künstlich angelegt. Ein Anlieger jagt den nächsten, Brücken, Absätze, … ich finde es einfach genial. Für meinen Bruder mit seinem etwas angeschlagenen Oberkörper ist es leider, sagen wir mal, suboptimal. Er wird heute noch zweimal in den Dreck langen. Auch wenn er bergauf einen guten Tag hat, verlieren wir in den Trails bergab immer wieder viele Plätze und viel Zeit. Die Schaltung an meinem Rad verlangt mittlerweile auch ziemlich viel Feingefühl - trotz Nachölen an jeder Verpflegungsstelle. Auch klappert und knarzt es irgendwo hinten am Rad. Hoffentlich ist es nicht der Rahmen …
Nach knapp viereinhalb Stunden haben wir es fast geschafft. Wir bauen noch einen kleinen Umweg ein, weil wir einem anderen Team einfach hinterher fahren. Wir müssen natürlich umdrehen um wieder zurück auf die Strecke zu kommen. Die Aktion kostet uns vielleicht drei, vier Minuten und ein paar Plätze. Im Ziel staunen wir: Gesamtplatz 54. Gefühlt haben uns wenigstens 200 Teams überholt. Haben wir doch irgendwo abgekürzt? Uns ist jedenfalls nichts bewusst und wir werden keinen Protest einlegen. Die Ursache fürs Klappern stelle ich nach Zieleinfahrt fest: Die Schrauben, die hinten den Bremssattel halten sollten, sind nur noch zur Hälfte eingeschraubt. So ein Mist, das hätte ins Auge gehen können. Insider werden jetzt schmunzeln … der Stark und seine Bremsen. Ich schwöre: Die Schrauben waren mit Loctite mittelfest eingeschraubt und ich habe erst vorgestern mit dem Drehmomentschlüssel kontrolliert.
Nach dem Rennen gönne ich mir eine kostenfreie (!) Nackenmassage von den Damen mit Korbhut in der Rider’s Lounge. Die ist erstens kostenfrei und war zweitens in den letzten Tagen immer recht ausgiebig und drittens angenehm. Heute wird’s kurz und schmerzhaft. Aua. Na mal sehen, vielleicht macht’s ja schnell … wir werden es dann morgen sehen ;)

Immanuel im Ziel

Miele-Wäscheservice im Camp bekommt auch Manis Trikot wieder sauber

Freitag, 28. März 2014

5. Etappe - Erst Schweizer, dann Spanier

Immanuel an der Verpflegung
Ich ahnte es ja bereits: Dieser Blog-Eintrag wird interessanter werden als der Letzte. Es beginnt gestern Abend als wir einschlafen wollen. Alle umliegenden Zelte sind ganz klar von Schwiezern besetzt. Wir fühlen uns wie im gallischen Dorf. Der eine muss mal „goans intimsd mit seina Frua telafunüre“. Es wird lustig, Details spare ich mir aber. Einschlafen ist unmöglich, bis ich „oans, zwoa, trü, zisch“ höre. Dann ist das Bier auf und die Schwiezer sind ruhig. Die Nacht ist es ebenfalls. Ich schlafe sieben Stunden durch bis der Wecker 4:45 Uhr klingelt. Das ist schon mal deutlich mehr als die letzten Nächte. Entsprechend wach bin ich am Morgen. Ich fühle mich so gut erholt wie vor der ersten Etappe. Dazu trägt wahrscheinlich auch die Massage von gestern bei. Am Start merke ich, dass die Beine heute unbegrenzte Leistung zur Verfügung zu stellen scheinen. Wir haben schon vor Beginn der Etappe entschieden, dass wir heute schneller losfahren. Das langsame Losfahren von gestern ist ja ziemlich in die Hose gegangen. Mit Immanuel im Schlepptau pflüge ich von Position 120 auf 1 durch. Die Führungsmeter müssen sein, denn heute habe ich die GoPro drauf. Vorne geht’s auf den folgenden Kilometern recht ruhig zu. An den ersten Hügeln wird es dann schneller und es entstehen immer wieder Lücken. Man sieht deutlich, dass auch viele der Profis ziemlich angeschlagen sind. Wir bleiben ganz vorne dran. Ich habe richtig Spaß und etwas zuckt es bei mir, jetzt mal richtig drauf zu treten - nur um zu sehen was passiert. Aber es gelingt mir, mich zusammen reißen. So reihen wir uns am ersten längeren Berg unter den besten 20 ein und Immanuel gibt das Tempo vor. Im anschließenden Trail müssen wir viele Teams passieren lassen. Immanuels Oberkörper ist völlig am Ende und er wird den ganzen Tag Probleme haben, wenn es holprig wird. Mein Bruder ist etwas sauer, weil er den ganzen Winter viel Oberkörper-Training absolviert hat und der Effekt ganz offensichtlich fehlt. Ich scheine dagegen mit meinen regelmäßigen „Baby-Lifts“ (ich schaffe mittlerweile ca. 100) ganz gut zu fahren. Am anschließenden Anstieg versuche ich Immanuel schiebenderweise zu unterstützen. Wir kommen ganz gut hoch. Der spanische Ex-Weltmeister Hermida, der als Outcast-Rider allein unterwegs ist, überholt uns. Immanuel scheint das zu motivieren. Jedenfalls fahren wir jetzt schneller. Ich bedanke mich artig beim Spanier, dass er allein durch seine Anwesenheit meinen Bruder motiviert. Wir machen noch ein kurzes Schwätzchen und er rät mir zu pokern und im richtigen Moment die Karten auszuspielen. Ich vermute, dass wir nicht das allerbeste Blatt haben, denn Immanuel hat schon etwas zu kämpfen. Aber wir kommen anständig über den Berg. Nach der schnellen Abfahrt kommen drei kurze, im Höhenprofil praktisch senkrechte Zacken. An den ersten beiden ist es im Grunde egal, ob man fährt oder schiebt. So nehme ich mir noch Immanuels Rad und renne hoch, während er sich erholen kann bzw. soll. Um uns sind einige Afrikaner herum, die entweder schieben oder fahren. Mit zwei Rädern in der Hand lasse ich sie stehen; leider aber auch Immanuel ohne Rad. Ich fühle mich als zweiter weißer Afrikaner nach Dieter Baumann. Vielleicht sollte ich mal mein Dontodent ins Labor nach Kreischa schicken? Aber wahrscheinlich lag es eher am Marmite-Toast an der ersten Verpflegung. Am letzten Zacken hört der Spaß auf. Uns überholt einer mit Augenbrauen wie Theo Weigel. Er hat seine Rückennummer, auf der man die Nationalität identifizieren könnte, nicht dran. Aber es ist klar erkennbar, dass es sich schon wieder um einen Spanier handelt. Er hat dummerweise sein rotes Tuch vergessen. „El toro“ zehn Meter rechts neben uns erkennt das und sieht seine Chance zur Revanche für die vielen im Stierkampf getöteten Kumpanen. Er beschleunigt. Als er Top-Speed erreicht hat, zweigt er im rechten Winkel nach links ab und senkt sein Haupt. Der Spanier scheint Erfahrung zu haben und springt nach links hinter sein Rad ab. „Krach!“, „el toro“ ist voll eingeschlagen, galoppiert nach links durch und verschwindet im Unterholz. Der Spanier hat Glück, weder er selbst noch sein Rad sind kaputt. Er springt wieder auf und fährt weiter. Das hat er souverän gelöst. Ich frage ihn noch mal schnell, ob er wirklich Spanier ist, was er bejaht. Wir lachen und es geht weiter. Eigentlich war das gerade kein Scherz, aber es ist noch mal gut gegangen. Leider war der Akku bei der GoPro schon alle, sonst könnte ich meinen ersten ganz großen YouTube-Erfolg landen. Nach der folgenden Abfahrt kommt der letzte Anstieg, der die 2900 Höhenmeter von heute komplettiert. Auf der ersten Hälfte zeigt Immanuel großen Kampfgeist. Wir haben ein ziemliches Tempo drauf und überholen wieder einige Teams. Leider geht es meinem Bruder im holprigen zweiten Teil des Berges nicht mehr besonders gut und wir müssen alle wieder passieren lassen. Die letzte Abfahrt ist ein Genuss mit tollen Trails und Anliegern am Ende. Leider geht es bei Immanuel hier nicht wirklich schnell voran, aber zumindest ich kann es genießen. Wir erreichen das Ziel nach 110 Kilometern auf Gesamt-Platz 41. Nicht schlecht - das hätte ich heute nicht für möglich gehalten. Ich bin stolz auf meinen Bruder, dass er sich bei der Bullenhitze heute so durchgebissen hat. Jetzt heißt es noch einmal regenerieren für die letzten zwei Etappen. Das Schlimmste sollten wir hinter uns haben, allerdings gibt es beim Cape Epic wohl keine leichten Etappen. Warten wir’s ab, was der morgige Tag bringt …
"Race-Village" in Elgin


4. Etappe - Und es kam schlimmer …


Heute starten wir so langsam wie wir gestern aufgehört haben und reihen uns erst einmal um Position 150 ein. Schneller fahren kann man ja am Ende der 88 Kilometer und angeblich 1850 Höhenmeter immer noch - denke ich jedenfalls. Im Trail gleich zu Beginn gibt’s dann aber erst einmal einen gehörigen Stau. Der Rest des Rennens ist schnell erzählt. Das mit dem schneller fahren entpuppt sich vorerst einmal als Utopie. Ich habe den Eindruck, dass sich Immanuel ein wenig aufgegeben hat nach dem Einbruch von gestern. Alle Versuche, ihn aufzubauen scheitern. So dümpeln wir weiter um Platz 150 vor uns hin. Als Durchschnittspuls werde ich heute 125 1/min zu verzeichnen haben. Das Gelände besteht fast ausschließlich aus herrlichen Trails. Bei dem guten Wetter von heute eigentlich ein perfekter Tag für eine Ausfahrt mit dem Mountainbike. Wenn es meinem Bruder nur etwas besser gehen würde, könnte ich es sogar genießen – ganz unabhängig von unserer Position im Rennen. Leider ist das nicht der Fall. Immanuel hat auch nach wie vor mit ziemlichen Rückenproblemen zu kämpfen.
Fünf Kilometer vor dem Ziel gibt mein Bruder dann aus heiterem Himmel plötzlich Vollgas und ich bekomme erstmal eine Laktatdusche in die nicht besonders gut vorgewärmten Beine. Den Rest der Strecke absolvieren wir dann tatsächlich doch noch im Renntempo. Es ist natürlich viel zu spät, um Boden gut zu machen. Aber immerhin gibt es ein besseres Gefühl für die harte morgige Etappe mit ca. 100 Kilometern und 2900 Höhenmetern. Auf die Höhenmeterangabe gebe ich allerdings nicht so viel. Mein Höhenmesser hat heute jedenfalls 2650 Höhenmeter gemessen, was ja schon einmal deutlich mehr als 1850 Höhenmeter sind.
Mein Ziel ist es, das wir gemeinsam an Sonntag in Lourensford ankommen. Allein das wird noch ein hartes Stück Arbeit werden. Aber ich denke, wenn wir den morgigen Tag überstehen, haben wir gute Karten.
Ansonsten habe ich heute einmal nicht viel zu erzählen. Die Nacht war nach dem Aufhören des Sturmes ausnahmsweise mal völlig zwischenfallsfrei. Unsere Räder haben bis auf einen unerheblichen Platten an Immanuels Vorderrad und ein paar Schaltungshakler bei mir gut gehalten. An erwähnenswerte Zwischenfälle auf der Strecke kann ich mich auch nicht mehr entsinnen. Doch! Eins fällt mir ein: Heute gab es an allen drei Verpflegungspunkten Toast mit Marmite. „Well done“ lieber Veranstalter, ich habe es genossen.


Mal sehen wie es morgen wird. Ich habe so das Gefühl, dass es interessanter werden könnte … man muss ja seine Leser bei der Stange halten ;)

Mittwoch, 26. März 2014

3. Etappe - Geburtstag in Südafrika




Nach einer erholsamen Nacht geht es heute Morgen auf die längste Etappe. Es stehen uns 134 Kilometer und knapp 2000 Höhenmeter in vergleichsweise einfachem Gelände bevor. Der angekündigte Regen über Nacht ist ausgeblieben. Es sollte also ein Kinderspiel werden – jedenfalls im Vergleich zu gestern.
Wir starten heute sehr verhalten und reihen uns nach dem ersten Flachstück irgendwo jenseits der ersten 100 Teams ein. Es ist lange her, dass ich so in ein Rennen gestartet bin. Wenn die Jungs hier hinten in den Ebenen genauso drücken würden wie bergauf, dann hätten einige Leute weiter vorne nichts mehr zu lachen. Tun sie aber eben nicht.
Nach der Startphase folgen viele hügelige Kilometer auf ungewohnt breiten Schotterwegen. Dadurch kann ich Immanuel bergab und in der Ebene wunderbar in den Windschatten nehmen und bergauf schieben. Auf diese Weise sprengen wir Gruppe um Gruppe. Meinem Bruder scheint es heute gut zu gehen. Die Betonung liegt auf scheint, wie wir bald merken werden. Zwischen der zweiten und der dritten Verpflegung sind wir ca. bis auf Platz 30 vorgefahren. Ungefähr 30 Kilometer vor dem Schluss kommt bei Immanuel aus heiterem Himmel der Mann mit dem Hammer. Jetzt geht es andersrum. Alle die wir vorher überholt haben, überholen uns wieder.
So langsam kriege ich ein schlechtes Gewissen. Der vierte Tag und bei Immanuel gehen zum vierten Mal die Lichter aus. Böse Zungen werden sagen, dass ich meinen jüngeren Bruder hier kaputt fahre. Das will ich natürlich nicht. Das Problem ist, dass es mir unglaublich schwer fällt einzuschätzen, was für Immanuel das richtige Tempo ist. Es ist der typische Effekt von Etappenrennen im Team. Wenn einer von beiden am ersten Tag nur etwas stärker ist, ist er am nächsten Tag besser erholt. So wird der Leistungsunterschied zwischen den Teampartnern von Tag zu Tag größer (Ausnahmen bestätigen die Regel; erfahrungsgemäß ist dabei aber auch oft ein guter Apotheker im Spiel …). Das zu vermeiden ist die große Kunst. Im Grunde geht es nur, wenn genügend Möglichkeiten zum Windschatten fahren und zum Schieben vorhanden sind. So wie heute. Jetzt ist es allerdings zu spät dafür. Morgen müssen wir es noch langsamer angehen. Wir werden das richtige Tempo schon noch finden. Aber es ist ganz offensichtlich ein langwieriger Lernprozess.


An der letzten Verpflegung halten wir etwas länger an um zu Essen. Unglaublich, es gibt hier Toast mit Marmite. Ich zähle zu dem einen Prozent Deutschen, die das Zeug mögen. Die letzte Verpflegung ist daher ein kleines Highlight für mich. Vor dem letzten Berg überrede ich Immanuel noch einmal zu einer Pause. Danach geht es bei ihm wieder etwas besser und wir kommen noch bis ins Ziel.
Die Platzierung? Keine Ahnung; sicher irgendwas um die 100 oder darüber. Das Internet hier ist so schlecht, dass ich froh bin, wenn ich den Blog-Text durch die Leitung bekomme. Die einzige Chance dazu ist meistens abends. Dann schlafen viele schon und der Traffic ist entsprechend gering. Irgendwo hängen sicher auch Ergebnisse. Aber ich sitze gerade so gut hier … und so wichtig ist unsere Platzierung dann doch nicht. Das Hauptziel heißt am Sonntag in Lourensford anzukommen.
Die morgige Etappe? Auch keine Ahnung. Der Plan liegt im Zelt. Aber ich sitze gerade so gut hier … und so wichtig ist es auch nicht. Wenn wir in Lourensford ankommen wollen, müssen wir so oder so die Distanz bewältigen.
Die kommende Nacht? Der Veranstalter hat mir ein Kärtchen in den Startbeutel getan. Ich darf heute eine Flasche Wein am Rennbüro abholen. Aber ich glaube, wir schlafen auch so ganz gut ein. Wobei - diese Nacht könnte uns der Wind einen Strich durch die Rechnung machen. Die Zelte biegen sich schon bedrohlich im Wind und gerade eben kamen ein paar Matrazen vor meiner Nase vorbeigeflogen …


Dienstag, 25. März 2014

2. Etappe - Schlimmer geht’s immer



Eins vorweg: Wir sind noch im Rennen. Aber der Reihe nach.
Gegen Mitternacht wecke ich auf, weil das Zelt zur Tropfsteinhöhle geworden ist. Ich hatte das schon gestern befürchtet. Warum besteht dieses dämliche Ding hier aus Innen- und Außenzelt, wenn sich doch beide überall berühren? Jedes Mal wenn ich fast wieder eingeschlafen bin, tropft es mir wieder ins Gesicht. Irgendwo habe ich mal von einer Foltermethode gehört, bei der dem zu Folternden in kontinuierlichen Abständen Wasser auf den Kopf tropft. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis einen das in den Wahnsinn treibt. Als gegen zwei Uhr noch Windböen dazukommen gibt es Regenschauer im Zelt. Da ich mittlerweile sowieso ein Dixie brauche, entscheide ich mich raus zu wagen. Nur mit Unterhose und Kopflampe bekleide renne ich um den halben Zeltplatz. Ganz sicher ein Bild für die Götter, aber jetzt sieht das zum Glück keiner. Als ich nach einem nicht weiter erwähnenswerten Zwischenfall zurück am Zelt bin, versuche ich den Zeltaufbau zu optimieren. Nach wie vor in Unterhose und mit Kopflampe, versteht sich. Das Unterfangen stellt sich als aussichtslos heraus. Vier Ecken, vier Heringe – klar, dass die Außenhülle nicht straff zu bekommen ist. Ich kann mich also nur darauf beschränken, den Schaden in Grenzen zu halten. Mit Handtuch bewaffnet wird das Zelt (soweit wie möglich) vorübergehend trocken gelegt. Was für eine kluge Idee, hier den Daunenschlafsack mitzuhaben. Der reagiert ja ganz besonders gut auf Nässe. Ich schlafe noch einmal ein. Als ich gegen vier Uhr wieder aufwecke liege ich mehr oder weniger im Wasser – dumm gelaufen. Nach einem weiteren Trockenlegungseinsatz kann ich immerhin noch eine halbe Stunde bis zum Weckerklingen 4:45 Uhr weiterschlafen. Zum Glück ergeht es meinem Bruder etwas besser und er kann halbwegs Schlafen. Aber auch ich muss zufrieden sein mit der Nacht, denn: Schlimmer geht’s immer. Das Zelt diagonal gegenüber von uns ist zum Beispiel halb zusammengeklappt. Und dabei war das noch gar kein allzu schlimmes Unwetter.
Um 7 Uhr fällt der Startschuss für uns – nach wie vor bei Regen. Die ersten Kilometer im Pulk geht es durch viele tiefe Pfützen. Eine allerübelste Sauerei ist das heute. Leider wird Immanuel im dichten Gedränge in einen Fast-Sturz verwickelt und verliert den Anschluss zu mir, was ich wiederum nicht mitbekomme (sich Umzudrehen würde bei diesen Bedingungen auch ein unkalkulierbares Risiko bedeuten). Beim Versuch wieder heranzukommen, muss er auch heute wieder gleich zu Beginn in den roten Bereich. Wir befinden uns bei der ersten Verpflegung ca. auf Position 30. Ich fühle mich gut, aber nach 1,5 Stunden kommt bei Immanuel wieder der Mann mit dem Hammer kombiniert mit den Rückenproblemen von gestern. Wir fahren kontinuierlich weiter und versuchen den Schaden in Grenzen zu halten. Trotzdem geht Platz um Platz flöten. Auf den vielen Trails kann ich meinen Bruder auch kaum unterstützen. Zu allem Überfluss spielt die Technik an seinem Rad bald nicht mehr mit. Die Kurbel wird locker. Die hintere Bremse hat einen Kolbenklemmer und ein Bremsbelag ist schon nach reichlich der Hälfte bis aufs Metall durchgeschliffen. Ständig wird Immanuel von Kettenklemmern geplagt. Zweimal müssen wir den Umwerfer demontieren, um das Rad wieder lauffähig zu bekommen. Unser Ziel lautet nur noch Ankommen. Knapp 30 Kilometer vor dem Ziel tauschen wir unsere Räder. So hat Immanuel wenigstens ein halbwegs funktionsfähiges Rad, was es ihm etwas einfacher macht. Irgendwann sind wir tatsächlich im Ziel. Das Ergebnis (wir sind 106. auf der Etappe geworden und jetzt 59. im Gesamtklassement) ist uns völlig egal – Hauptsache durchgekommen.

Zieleinfahrt

Sebastian im Ziel

Immanuel ebenfalls


 Und: Schlimmer geht’s immer. Andere hat es heute noch viel heftiger erwischt. Manche sind gar nicht angekommen. Und jetzt scheint sogar noch die Sonne. Das ist auch dringend nötig, um die in der Nacht nass gewordenen Sachen zu trocknen.
Den Rest des Tages verbringen wir mit Wundenlecken. Nach der Reinigung von uns selbst geht es an die Instandsetzung der Räder. Von den Bremsbelägen ist bei keinem von uns beiden mehr viel übrig (und da fahren wir schon die haltbare Variante). Die Schaltzüge inklusive Außenhüllen können wir auch gleich komplett austauschen. Immanuels rechter Schalthebel hat eine derartige Schlammpackung, dass wir ihn komplett auseinandernehmen müssen. Bei den Federgabeln rührt sich auch nicht mehr viel, aber das muss jetzt für den Rest des Rennens so gehen. Das Problem ist der extrem feine Staub überall. Mit Nässe kombiniert gelangt dieser überall hin.
Gerade eben fängt es wieder an mit regnen … mal sehen, was die Nacht und der morgige Tag so bringen.

Montag, 24. März 2014

1. Etappe - Es geht richtig los



 Heute fängt es pünktlich 5:30 Uhr an zu regnen – wie vorhergesagt. Das ist aber nur schlimm in Bezug auf die Wäsche, denn bei 20° C ist der Regen eine Wohltat. Bei Sonnenschein wären hier im Landesinneren sicher um die 40° C. Selbst nach diesem Winter sind wir das definitiv nicht gewöhnt.
Nach dem Frühstück geht es um 7 Uhr los. Wir haben geschätzt 120 Teams vor uns und die ersten 20 Kilometer sind überwiegend flach. Im Gelände ist das nicht ganz ungefährlich. An einer Stelle springt vor uns irgendein katzenartiges Tier in den sich mit Tempo 40 fortbewegenden Pulk und attackiert einige Fahrer. Glücklicherweise gibt es keinen Sturz und das Tier springt direkt vor mir wieder in den Seitengraben (es hat sicher meinen Schweiß gerochen …).
Heute merke gleich von Anfang an, dass mein Bruder hoch motiviert ist – zu motiviert für meinen Geschmack. In Anbetracht des weiteren Streckenverlaufs mit 113 Kilometern und des vernachlässigbaren Rests von sechs Etappen versuche ich ihn die erste Rennstunde zu bremsen. Mir gelingt das leider nicht so ganz. Ein sicheres Zeichen, dass ich schon zu den alten Säcken zähle – denn auf die hören die Jungspunde ja nicht. Da ist nichts zu machen.
Nach dem gestrigen Prolog ist mir eigentlich klar, dass das Tempo hier nur ins Auge gehen kann. Am Ende des Flachstücks sind wir mitten drin in der Spitzengruppe unter den ersten 20 Teams. Am ersten Schiebestück bekommt Immanuel Probleme und wir müssen abreißen lassen, befinden uns aber immer noch in hervorragender Position. Als es das erste Mal richtig ruppig wird, haben reihenweise Top-Teams Defekte und stehen am Rand. Zum Glück kommen wir unbeschadet durch. In irgendeinen Trail stechen Nino Schurter und Philip Buys kurz vor uns rein. Letztgenannter und wir kriegen eine kleine Fahrtechniklehrstunde. Für manche Leute scheint eine andere Physik zu gelten. Wie ich es befürchtet hatte, baut mein Bruder nun langsam aber sicher ab. Einige Teams überholen uns; alles bekannte Profi-Fahrer. Sie sind nicht einmal viel schneller als wir, was etwas Mut macht. Leider geht es bei Immanuel immer weiter bergab und er klagt über Rückenschmerzen. Die Trails sind extrem ausgewaschen und ruppig. Bald ist der Rennschalter bei ihm ganz aus. Mir ist ziemlich klar, dass das heute noch interessant wird. Ich habe einen guten Tag erwischt und versuche Immanuel zu schieben wo es geht. Dennoch kassieren uns immer wieder Teams. Zwischen Kilometer 40 und 80 fahren wir praktisch im Tourentempo. Das ist sogar objektiv so, was mit Immanuels Leistungsmesser leicht festzustellen ist. Zum Glück sorgen immer mal wieder ein paar schöne Trails für Abwechslung und das Bergpanorama ist auch nicht von schlechten Eltern. Es gibt durchaus noch Teams, denen es schlechter geht als uns. Irgendwo sammeln wir Bart „die Lunge“ Brentjens auf. Seinem Teampartner Abraao Azevedo hat es ganz offensichtlich alle Lichter ausgeknipst. Nach dem letzten langen Berg bei Kilometer 80 wird es relativ flach. Bei Immanuel scheint es langsam wieder besser zu gehen. In den ebenen Abschnitten kann ich ihm Windschatten geben und wir rollen wieder an ein anderes Team heran. Mit diesem fahren wir bis kurz vor Schluss zusammen. Nach ziemlich genau fünfeinhalb Stunden haben wir es geschafft. Gesamtplatz 32 mit ca. 50 Minuten Rückstand auf die Etappensieger ist überraschend gut für unseren Rennverlauf. Auch zeigt es, wie hart die Etappe heute selbst für die Profis war. Wobei, eigentlich hat man das schon beim Blick in die Gesichter im Ziel gesehen. Morgen soll es etwas einfacher werden und wir haben den Vorteil aus dem ersten Startblock starten zu können. Hoffentlich lässt sich Immanuel überreden, das Ganze etwas lockerer anzugehen. Ich bin mir sicher, dass sich das heutige Etappenresultat mit deutlich weniger Leiden hätte erreichen lassen, wenn wir gleichmäßiger unterwegs gewesen wären. Aber hätte, wäre, wenn nützt jetzt nichts mehr. Vorerst zählt nur, sich zu erholen. Die Beine sind dabei das geringste Problem. Viel entscheidender ist der Oberkörper, der auf Etappen wie der heutigen extrem gefordert wird.

Zieleinfahrt nach 103 km